Der Ball ist unrund, das Spiel dauert 30 Minuten

Das Fairtrade-Produkt Rasenreich, einst ein Kunstobjekt, verbessert bei Kickern die Koordination

Wien – Eigentlich sollten seine unförmigen Fußbälle ja Kunstobjekte in Ausstellungen sein und zum Nachdenken anregen. “Aber die Leute haben die Bälle genommen und sofort damit gegaberlt”, erzählt Mario Sinnhofer. Der Künstler hat auf diese Reaktion gehofft. Schließlich kickt der 38-jährige Salzburger selbst leidenschaftlich gerne, in seiner Jugend stand er in diversen Salzburger Nachwuchs-Landesauswahlen. “Ich weiß, wie Fußballer ticken. An sich sind sie ja nicht das typische Publikum für Kunstausstellungen. Aber ich habe mit meinem Ball einen Köder ausgeworfen.”

Sinnhofer hat für sein Kunstobjekt Markenbälle von Nike und Adidas zerschnitten und die Fünf- und Sechsecken in neuer Anordnung zusammengeklebt. Das vertraute Design des runden Balles sieht verunstaltet aus, die neuartige Wuchtel wirkt verstörend. “Die Betrachter sollten sehen, dass an diesem Ding etwas faul ist”, sagt Sinnhofer dem STANDARD. Damit will der Künstler vor allem auf die vielfach unwürdigen Bedingungen bei der Produktion der Fußbälle hinweisen.

Ein symbolischer Akt

Nach wie vor wird der Großteil der Bälle – vor allem Billigware – in nur wenigen Städten in Indien und Pakistan produziert. Für einen Ball bekommen die Näherinnen zwischen fünf und 30 Cent. Das ist auch dort nicht viel Geld. Vier Bälle gehen sich pro Tag aus. Oft werden Kinder zur Näharbeit gezwungen. “Das Aufschneiden des Fußballes war ein symbolischer Akt”, sagt Sinnhofer. “Nur ein paar Millimeter unter der Oberfläche sind die Nähte versteckt. Dort liegt der Hund begraben.”

Als immer mehr Menschen mit den Bällen zu kicken begannen und Sporttrainer die Wuchtel zu Trainingszwecken gar kaufen wollten, entwickelte Sinnhofer eine Geschäftsidee. “Ich dachte, wenn man mit diesem Ball spielen kann, fällt das Training mit der runden Frucht viel leichter.” Diese Laien-These haben Sportgeräte-Experten der FH Technikum Wien und der TU München bestätigt.

Faire Herstellung in Pakistan

Und so lässt Sinnhofer mit seiner Firma Rasenreich die Bälle in überschaubarer Zahl in Pakistan herstellen – in einer von nur vier Produktionsstätten weltweit, in denen Fußbälle fair produziert werden. “Wir waren das überhaupt erste Fairtrade-Produkt bei Sport Eybl im Handel”, sagt Sinnhofer. Was nicht unbedingt für andere Markenbälle spricht.

Der unberechenbar aufspringende Ball verbessert die Augen-Bein-Koordination der Kicker, auch Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit werden geschult. Nach 30 Trainingsminuten mit der “Corpus” genannten Wuchtel fällt die Ballbehandlung mit dem runden Ding leichter. Der FC Basel setzt auf das Gerät, auch ZSKA Sofia, der Hamburger SV, Düsseldorf und das japanische U23-Nationalteam haben ihn. “Nur in Österreich sind die Profiteams noch nicht aufgesprungen”, sagt Sinnhofer. “Wir müssen uns mehr ins Ausland orientieren.” (David Krutzler, DER STANDARD, 14.6.2012)

Dieser Artikel erschien zuerst am 14.6.2012 auf derStandard.at